Musik-Bildnerei


Musik-Bildnerei

Ob Sichtspur oder Signalton,
Kontur oder Melodiebogen,
ob Laut oder Linie,
Gebilde oder Geräusch:
Gestaltchiffre und Klanggebärde erweisen sich
jeweils zugleich
als sinnenhaft - sinnerfüllt.

Stimmenvielfalt und Erscheinungsmacht der Realität erziehen Auge und Ohr zum Empfang, zum Ordnen und Orten, schließlich zur Teilhabe am unfasslichen Zugleich aller Lebensregungen. Musik läutert die Laute, filtert und skandiert das tausendstimmige Brausen der Lebens-Chöre, fügt und schichtet das ungestüme, ungestimmte Dröhnen zu Klanggewölben, gestützt auf die Bogenreihen der Notation.

Bildende Kunst zeitigt das Zeichen, fängt die Flucht der Erscheinung im Netz der Lineaturen, hüllt geprägte Gestalt in die schimmernde Lichthaut der Farbe. Der Betrachter taucht ins Klangreich des Hell-Dunkels, beantwortet die schön gespannten Konturen bewegter Glieder vor der Folie des Bildergrundes mit eigener Körperregung.

Musik geleitet den Hörer im echohaften Wiedererkennen der Tonfolgen durch die Hallräume des eigenen Inneren und Weltwege ebnen sich für den Zug der Klangfiguren durch die Gehörgänge des Lauschenden.

Zur strahlenden Lichtkommunion weitet sich der Lidspalt des Spähers, schmiegsam umgreift der visuelle Tastsinn entfernteste Dinggestalt. Das Anbranden der Elementarwellen, das körperwirksame Wechselspiel von Klang und Licht weckt und steigert die Bildekraft wie die Tonsprache des Menschen.

Unablässig rinnt aus den Glutkammern des Lichts der Schmelzfluss der Farben, dessen Widerschein siebenfach alle Wesen umhüllt. Und zum schwingenden Strebewerk des universalen Einklanges verflechten sich jenseits der Hörbarkeit stimmführende Planeten.

Gotthard Glitsch, 2003